Wardenburg, den 24.09.2009
Die Biologische Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems e.V. (BSH)
unterstützt den Wahlaufruf des NaturschutzForums Deutschland e.V. (NaFor).
Hier der Wortlaut:
Koalitionsverhandlungen auch im Zeichen des Naturschutzes
NaturschutzForum Deutschland sieht großen Handlungsbedarf
Hannover. Nur noch drei Tage und in Deutschland darf ein neues Bundesparlament gewählt werden. Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) ruft dazu auf, wählen zu gehen.
Eine Wahlempfehlung gibt es von NaFor allerdings nicht. Stattdessen sollten die Wählerinnen und Wähler ihre Bundestagsabgeordneten bzw. -Kandidatinnen und -Kandidaten des eigenen Wahlkreises nach ihren Argumenten und dem bisherigem Handeln einschätzen. Denn es geht – auch für die Naturschutzverbände - um vier weitere Jahre der Bundespolitik, um den kontinuierlichen Kontakt in Sachen Naturschutz und Landschaftspflege mit dem Bundesgesetzgeber und um die nötige Einflussnahme, um etwas zugunsten der wildlebenden Tiere und Pflanzen und ihrer Lebensräume zu bewirken.
Ein gutes Erinnerungsvermögen, die Kenntnis der Programme und der persönlichen Wahlaussagen auf den Flyern ist dabei – auch in der Zukunft- hilfreich. Im Zweifel kann man / frau die Kandidatinnen und Kandidaten auch persönlich noch befragen, wenn Klärungsbedarf besteht.
Auch sollte gut unterschieden werden zwischen Ankündigungen und tatsächlichen Hilfen. Wer in diesen Tagen feststellt, sich für die Belange der Natur eingesetzt zu haben, sollte die Frage beantworten, warum die meisten Naturschutzverbände im Gegensatz zu den landwirtschaftlichen Großsubventionären nichts Vergleichbares an Fördermitteln bekommen haben.
Die EU hat es ermöglicht, allen Zweiflern vor Augen zu führen, wie unsere Steuermittel in sehr kleinen bis extrem hohen Summen der Landwirtschaft zugeführt werden; man kann dies nachlesen in den langen Listen bei www.agrar-fischerei-zahlungen.de > [Empfänger] EU-Agrarfonds > weiter zur Suche > Suche starten > PLZ eingeben > starten).
Angesichts der Tatsache, dass Deutschland jährlich 8,8 Milliarden EUR Steuermittel in die EU-Kasse zahlt (zum Vergleich: England: 0,8 Milliarden EUR) ist nicht zu verstehen, warum der Hauptaktionär Deutschland es zulässt, dass allein 47% (116,5 Milliarden) in den ökologisch sehr umstrittenen Agrarsektor fließen, statt in Zukunftsforschung, Energieeffizienz, kommunale Kreislaufwirtschaft und den Erhalt einer abwechslungsreichen erholungswirksamen Landschaft zu investieren. Auch ist die Reduzierung und Vermeidung von Emissionen eine ebenso große Aufgabe, allen voran die Bewältigung der Umweltauswirkungen des Verkehrs, speziell der Dieselabgase und des Flugkerosins, statt wieder im großen Stil in das Kohleverbrennungszeitalter zurückzufallen.
Ohne Frage ist es nach Meinung von NaFor ein positives Ergebnis der bisherigen Koalition, endlich bei der Einsparung von Energie, der Förderung alternativer Energien und der weltweiten Information über die Ursachen und Folgen der Erderwärmung und des Klimawandels – auch international - vorangekommen zu sein. Zu begrüßen ist der Ausstieg aus der Atomkerntechnik zugunsten der Energiegewinnung aus Kraft-Wärme-Kopplung, Wind, Meeresströmungen, Solaranlagen und Geothermie. Doch müssten angesichts begrenzter fossiler Energieträger auf diesem Gebiet (mit Ausnahme der Biogasgewinnung in der bisherigen Form) erheblich stärkere Anstrengungen durch die Förderung der entsprechenden technischen Erschließungen unternommen werden. So zu verfahren, wurde von Verbänden aus den Reihen von NaFor schon 1981 durch Physiker wie H. Jäger gefordert, gerade auch angesichts der Sabotage-Anfälligkeit von Atomkraftwerken und der Wassereinbrüche in den schleichend zum Endlager umfunktionierten Anlagen der Asse und in Gorleben – das wollten aber die damaligen politischen Entscheidungsträger nicht zur Kenntnis nehmen. Jetzt sollte endlich ausgewogen nach allen Kriterien der Umweltverträglichkeitsprüfung untersucht werden, welche Standorte –auch in Bayern (siehe Wackersdorf) und Baden Württemberg- in Frage kommen. Die strahlenden „Tropfsteinhöhlen“ müssten kostenaufwändig und korrosionssicher umgelagert werden, denn nachfolgende Generationen dürften sich angesichts der dauerhaften Verbindlichkeiten des strahlenden Nachlasses aus dem 20. und 21. Jahrhundert nur ungern an die völlig verfehlte und gefährliche Atomenergiepolitik ihrer heute lebenden Vorfahren erinnern.
Hier im Einzelnen die
23 Forderungen von NaFor anlässlich der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen zur neuen Legislaturperiode
Ohne näher auf die Einzelheiten eingehen zu wollen, sei hier nur tabellarisch eine Auswahl zentraler Forderungen des NaturschutzForums (NaFor) genannt, die bei den jetzt bald anstehenden Koalitionsverhandlungen der nächsten Bundesregierung zugunsten von Zukunftssicherung und Arbeitsplätzen berücksichtigt werden sollten. Dabei kann es Gesetze und Verordnungen auf Bundesebene ebenso betreffen wie solche auf Länderebene, auf deren Einhaltung von Berlin aus gedrungen werden müsste (auch c/o LANA / LAWA u.a.). Das NaturschutzForum Deutschland betont, dass die Forderungen sich nicht allein mit dem momentanen energetischen Schwerpunkt erschöpfen dürften, sondern ebenso sehr den Schutz der Biosphäre im angemessenen Umfang einzubeziehen haben.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Forderungen:
- Prognose (Szenarium) Naturschutz und Kulturlandschaft 2035 und 2050
im Sinne der Agenda-Vereinbarungen von Rio in Fortschreibung mit den
Naturschutzverbänden aufstellen und Leitlinie erarbeiten. Ressourcenschutz und
-gewinnung sowie die Einbeziehung verschiedenster Nutzer (vor allem
Landwirtschaft, Straßenbau, Küstenschutz).
- Regelmäßige Überprüfung der Einhaltung und Fortschreibung nationaler und
internationaler Vereinbarungen (Beispiel Agenda Natura 2000 mit Vogelschutz-
und WR-Richtlinie) und Konventionen (Washingtoner Artenschutz-
Übereinkommen, Ramsar-, Bonner- und Berner Konvention u.a. zur Förderung
von wandernden Tierarten, Feuchtgebieten etc.), aber auch die Unterstützung und
Einhaltung aller Maßnahmen zum Schutz bedrohter Pflanzen- und Tierbestände
(siehe Rote Listen, Schulungen der Zoll- und Grenzpolizei gemäß der
Bundesartenschutzverordnung, Fischereiaufsicht; Beispiel: Überfischungen in den
Meeren).
- Förderung der Nachhaltigkeit im weitesten Sinne durch Erweiterung des Anteils
ökologisch bewirtschafteter Wälder, der Einzelstamm-(Plenter-)Wirtschaft und
umweltschonender zukunftsorientierter Techniken.
- Verlängerung der Förderung der oben genannten alternativen
Energiegewinnung nach dem Energieeinspeisungsgesetz.
- Keine weiteren Genehmigungen von Höchstspannungsleitungen, wenn die
Trassen den Bau von Erdkabeln zulassen (Beispiel: Eon-Leitungen von offshore-Windparks
in der Nordsee, Gesetz in Niedersachsen, allerdings für die EVU verbindlich, nicht freiwillig).
- Weitere Anlagen der Massentierhaltung in Sondergebieten zusammenfassen –
statt die weitere Zersiedlung der freien Landschaft zuzulassen und eine ausgewogene
Infrastruktur der Kommunen zu behindern. Tierhaltung nur auf der Grundlage einer örtlichen
flächengebundenen Landwirtschaft.
- Das Grundstücksverkehrsgesetz novellieren, so dass darin keine Mehrheit aus
landwirtschaftlichen Interessenvertretern dominiert.
- Bundeswasserverbandsgesetz so novellieren, dass das Stimmrecht zu Beiräten
und Vorständen nicht nach flächenmäßiger Betroffenheit, sondern nach
Einwohnern bestimmt wird, die im Verbandsgebiet wohnen, individuelle
Wahlbenachrichtigung ist vorzuschreiben und Briefwahl zu ermöglichen.
- Freistellung von Entwässerungs-Abgaben (Zwangsmitgliedschaften) für stillgelegte naturnahe oder in Revitalisierung befindliche Flächen.
- Gesetzliche Hochwasserschutzgebiete auf 200-jährige Spitzen (HQ 200)
ausdehnen und darin eine extensive Grünlandwirtschaft vorschreiben; die
Abstände zu den Gewässern sind auch auf Privatgrundstücken als Brache
(artenreiche Saumbiotope mit Blütenpflanzen) unbewirtschaftet zu lassen
- Kein Deichbau im Binnenland zulasten ausgewiesen geschützter Schutzgebiete
(Beispiele: Butjadingen; Rückdeichung wertvollster Areale im Amt Neuhaus/Elbe:
Sude, Polder Süchau West).
- Keine ökologisch unvertretbare Fahrwasservertiefungen (z. B. Elbe, Unterweser,
Oder), keine Entwässerungen von Feuchtgebieten.
- Trinkwasserschutzgebiete und Förderbrunnen sind gegen Intensivflächen mit
Streifen aus mindestens 150 m breiten Aufforstungen standortheimischer
Mischgehölze abzuschirmen, spätestens dann, wenn die EU-Maximalwerte (z.B.
für Nitrat) im oberflächennahen Grundwasserhorizont (5 m) überschritten sind.
Die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie sind termingerecht umzusetzen,
ohne den größeren Teil der Gewässer als nicht renaturierbar auszuweisen.
- Vernetzungen geschützter und schutzwürdiger Lebensräume zu Biotopverbundsystemen
(Naturkorridore) mit bundesweitem Vorrang des Ziels Naturschutz stärker fördern, keine
(anteilige) Löschung von Schutzgebieten und Biosphärereservaten, ohne mit den
Naturschutzverbänden einvernehmlich doppelt so große Ersatzflächen in bestmöglicher Nähe
zum geplanten Eingriff auszuweisen; das Naturschutzgesetz ist entsprechend zu erweitern,
weitere Zerschneidungen der freien Landschaft sind zu vermeiden (Beispiel: BAB zusätzliche
ausgleichspflichtige Fahrbahnen ja, keine neuen Trassen).
- Der Anteil der Naturschutzgebiete sollte mit dem mittelfristigen Ziel (15 % der
Landesfläche) sukzessive vergrößert werden. Löschungen von Schutzgebieten sind zu
vermeiden oder ortsnahe auszugleichen.
- Kompensation von Landschaftseingriffen (Bodenabbau wie Sand- /
Kiesentnahme, Torfabbau, Deicherhöhungen, Verkehrswege u.v.m.) nur bei
doppelter Flächenkompensation ähnlicher Wertigkeit der Vegetation ermöglichen
(Ländergesetze lassen bislang den Genehmigungsbehörden bis hin zum Verzicht auf die
Kompensation zu viel Spielraum). Bundesweites Katatser der Kompensationsflächen ist
einzurichten und im Sinne der EU-Umweltinformationsrichtlinie öffentlich zugänglich zu
machen.
- Natur- und Kulturdenkmäler unterliegen einem besonderen Schutz – auch als
(unerklärtes) nationales Kulturerbe - Beispiel: Zerstörung eines germanischen
Bohlendamms durch Torfabbaumaschinen im Heeder-/Lohner Moor – Landkreis
Diepholz).
- Biologische Vielfalt (Biodiversität) ist durch Artenschutzprogramme gezielt zu
fördern (z.B. durch das Bundesamt für Naturschutz), und zwar auch in kleiner
Dimension ohne staatlich repräsentativen oder modellhaften Charakter,
Anleitungen bzw. Unterstützungen für die Antragstellung und Verfahrensdurchführung
sind erforderlich.
- Förderungskataloge von Routine-Maßnahmen zur Biotopentwicklung sind
aufzustellen und gegenzufinanzieren.
- Begleitung von Planfeststellungsverfahren (§ 59 BNatSchG) und Übernahme
von gesetzlich notwendigen Aufträgen durch Bundes-Naturschutzverbände ist
pauschal zu finanzieren.
- Koordinierungsaufgaben der beiden bundesdeutschen Naturschutz-
Dachverbände NaFor und DNR sind im gesetzlichen Kompetenzbereich
gleichberechtigt anteilig, (also nicht wie bisher einseitig) nach dem
Organisationsschema der Landwirtschaftskammern zu finanzieren.
- Fachlich betroffene Ministerien (BMU / BML / BMI u.a.) müssen die
Beteiligungspflicht n. § 59 BNatSchG bis in die unter(st)en angeschlossenen
Bundesbehörden (zum Beispiel Wasser- und Schifffahrtsämter mit Außenstellen)
bei allen anerkannten Bundesverbänden umsetzen, es sollte keine Reduzierung
der Beteiligung durch eine subjektive Vorauswahl getroffen werden dürfen
(Beteiligung von 3 Verbänden, dagegen Nichtbeteiligung von 20 anderen – das
wäre formfehlerhaft), es sei denn, diese möchten ausdrücklich nicht beteiligt
werden oder die Verbände einigen sich auf einen Bagatellkatalog. Um die
Vorgehensweise abzuklären, wären zentrale Gespräche durch die Bundesregierung
– wie auf Landesebene - anzuberaumen. Reisekosten für staatlich oder
von Gebietskörperschaften veranstaltete Termine sollten den ehrenamtlichen
Teilnehmern erstattet werden.
- Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind einfacher und für die Bevölkerung
leicht verständlich zu gestalten, das Umweltgesetzbuch sollte im zweiten
Anlauf verabschiedet werden.
Verantwortlich:
Prof. Dr. Remmer Akkermann
Präsident des NaturschutzForums Deutschland e.V. (NaFor)
Für Rückfragen persönlich erreichbar unter:
akkermann.remmer @t-online.de oder Tel. 04407 922201